Louis Haefliger
& Peter Surava |
Der
Bankangestellte Louis Haefliger
gehörte zu den wenigen Menschen in der Schweiz, die sich entgegen der
aktuellen politischen Situation menschlich korrekt in einer schwierigen
Situation verhielten. Zu dieser Gruppe von Menschen gehören u.a. auch
Peter Surava und Paul Grüninger.
Louis Haefliger arbeitete nach
einer kaufmännischen Ausbildung als Angestellter, ehe er für zwei Jahre
nach Paris ging, wo er bis 1926 lebte.
Nach seiner Rückkehr übernahm er eine Anstellung bei der Bank Leu und
heiratete 1930 ein erstes Mal.
Der
grosse Schicksalstag in Louis Haefligers Leben folgte viele Jahre
später 28. April 1945. Nachdem das IKRK vom SS-General Ernst
Kaltenbrunner die Erlaubnis erhielt, die Konzentrationslager mit
Hilfsgütern zu beliefern und eine Begleitperson aus den Reihen des IKRK
bis zum Kriegsende im Lager belassen zu dürfen, suchte das IKRK
Freiwillige.
Als Louis Haefliger davon erfuhr, nahm er unbezahlten
Urlaub bei der Bank und meldete sich. Er wurde für den Hilfstransport
ins KZ Mauthausen eingeteilt, wo er bei der Ankunft jedoch auf
Widerstand des dort verantwortlichen SS-Standartenführer Franz Ziereis
(dieser verstarb später am 25. Mai 1945, als er nach einem
Fluchtversuch angeschossen wurde) stiess.
Er verwies diesen auf
Kaltenbrunner und zog sich bis zur Klärung ins nahegelegene St. Georgen
an der Gusen. Dort erfuhr er von den Bewohnern die tatsächlichen
Ausmasse und Zustände in den beiden KZs Gusen und Mauthausen.
Als
die Situation zwischen Ziereis und Kaltenbrunner geklärt war, kehrte
Louis Haefliger zurück ins KZ Mauthausen, wo er mit dem dortigen
SS-Obersturmführer Guido Reimer sprach. Dieser erzählte ihm von
Himmlers Plänen, die Gefangenen der KZs in einem Stollensystem
zusammenzutreiben und diesen zu sprengen.
Als
für Louis Haefliger klar war, dass das Leben von mehreren tausend
Gefangener auf dem Spiel stand, entschloss er sich, gegen die Auflagen
des IKRK zu verstossen und die nicht mehr weit entfernten
Alliierten in Kenntnis zu setzen.
Mit Hilfe Reimers strich er ein
Militärfahrzeug weiss an und brachte eine Rotkreuz-Fahne an und machte
sich auf die Suche. Schliesslich traf er auf eine Patrouille der
Amerikaner und setzte sie über die drohende Katastrophe in Kenntnis.
Am
5. Mai kehrte Louis Haefliger mit zwei US-Panzerspähwagen ins KZ
Mauthausen zurück und sicherte so eine friedliche Übernahme des Lagers.
Man schätzt, dass sich im Lager zu diesem Zeitpunkt weit über 40'000
Menschen aufgehalten hatten.
Obwohl
Louis Haefliger mit seiner Tat unzähligen Menschen das Leben rettete,
stiess er nicht auf Dankbarkeit sondern auf Bürokratie innerhalb des
IKRK.
Da seine Handlung sich gegen den Neutralitätsstatus des IKRK
richtete, wurde er vom IKRK verurteilt. Auch seine Stellung bei der
Bank Leu verlor Louis Haefliger und eine Zukunft in der Schweiz schien
nicht mehr möglich zu sein.
Er verliess 1946 die Schweiz und
ging nach Österreich, wo er in Wien lebte und 1948 zum zweiten Mal
heiratete. Dort konnte er wieder in seinem alten Beruf arbeiten und war
bis 1973 bei der National Registrierkassen AG angestellt.
1993
heiratete Louis Haefliger ein drittes Mal und lebte in den letzten
Jahren in der Gemeinde seiner Frau in Podbrezova/Slowakei, wo er auch
verstarb.
Die Taten von Louis Haefliger blieben nach dem Krieg
nicht unerwähnt und er wurde bei zahlreichen Gelegenheiten mit Preisen
geehrt, u.a. in Österreich und Israel.
1950 wurde er erstmals durch
den österreichischen Justizminister Otto Tschadek für den
Friedensnobelpreis nominiert, 1988 folgte eine erneute Nominierung für
diese Auszeichnung.
Erst 1990 wurde Louis Haefliger vom
Präsidenten des IKRK – Cornelio Sommaruga – rehabilitiert und zwei
Jahre später wurde über ihn der Dokumentarfilm „Der vergessene Retter:
Die Befreiung des KZ's Mauthausen“ gedreht.
Heute gibt es eine „Louis-Häfliger-Gasse“ in Wien und einen
„Louis-Häfliger-Park“ in Zürich.
Zur
Geschichte der Befreiung des KZ Mauthausen gab es später verschiedene
Versionen und Geschichten, eine ausführliche Arbeit darüber schrieb
Johannes Starmühler in seiner Diplomarbeit „Louis
Haefliger und die Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen“
.
Der
Journalist Peter Surava wurde als Hans Werner Hirsch
geboren.
Als
er nach seiner Ausbildung und diversen Tätigkeiten zur Zeitung „Die
Nation“ in Bern stiess, übernahm er eine wichtige Rolle, der
Pressefreiheit Gehör zu verschaffen.
Als er 1940 zum Chefredaktor
aufstieg, machte sich „Die Nation“ einen Namen als kritische Stimme
innerhalb der Schweiz, die nicht nur schonungslos über die Ausrottung
der Juden in Deutschland berichtete sondern auch die eigene Schweizer
Regierung wegen ihrer Flüchtlingspolitik angriff.
Schliesslich
ergriffen ihn die zermürbenden Mühlen seiner politischer Gegner und man
schaffte es, Peter Surava als Journalist aufs Abstellgleis zu
manövrieren. Aufgrund seines jüdisch klingenden Namens Hirsch
verleumdete man ihn als Juden, dessen Antrieb nicht von Objektivität
geprägt sein soll sondern der eigenen Sache diente. Er wurde kurzzeitig
auch ins Gefängnis gesteckt.
Nach dem Krieg versteckte er sich
hinter mehreren Pseudonymen wie Thomas Quinton, Ernst Steiger und James
Walker und er verfasste verschiedene Schriften, die sich aber nicht
mehr politischen Themen widmeten.
Als 1989 der Fichenskandal
die Schweiz erschütterte und herauskam, dass der Schweizer Staat seit
1900 bei über 700'000 Einwohnern Überwachungsprotokolle erstellt hatte,
war die Empörung im Land gross.
Auf Druck der Öffentlichkeit konnte jeder Bürger beantragen, seine
Unterlagen einsehen zu dürfen, sofern welche existierten.
Auch
Peter Surava forderte die Unterlagen ein und war erstaunt und wohl auch
schockiert, wieviele falsche Informationen man über ihn
zusammengetragen hatte. Aus der Fülle der Einträge schrieb er das Buch
„Er nannte sich Surava“. Das Buch wurde ein grosser Erfolg und
beleuchtete die Rolle der Schweiz während des 2. Weltkriegs in einem
neuen Licht.
Als der Regisseur Erich Schmid 1995 die
Dokumentation „Er nannte sich Surava“ drehte, avancierte diese zum
einem grossen Erfolg und löste erneut Diskussionen aus.
Die Bundesrätin Ruth Dreifuss rehabilitierte ihn in einer Rede, kurze
Zeit darauf verstarb Peter Surava im Alter von 83 Jahren.
Im
Gegensatz zu Louis Haefliger und Peter Surava erlebte Paul Grüninger –
der vor Ausbruch des 2. Weltkriegs trotz geschlossener Schweizer
Grenzen mehrere Tausend jüdische Flüchtlinge rein liess - seine
Rehabilitation nicht mehr zu Lebzeiten. Er verstarb 1972 im Alter von
80 Jahren verarmt in St. Gallen. Erst 23 Jahre nach seinem Tod wurde
sein Name reingewaschen und vom Bezirksgerich St. Gallen freigesprochen.