Home |
(1925 - 1964) Pédaleur de Charme |
Der
Radrennfahrer Hugo Koblet gehört zu den erfolgreichsten Schweizer
Radsportler überhaupt, der zu Lebzeiten eine enorme Popularität
genoss und die Radsportfans in zwei Lager teilte - die Fans des
eleganten
Koblet und die Fans des Arbeiters Ferdy Kübler.
Begonnen hatte er seine Laufbahn 1946 auf der Bahn und konnte ab 1947
bis 1954 ununterbrochen den Schweizermeistertitel in der
Einerverfolgung
gewinnen. International errang er in dieser Diszipin 1947 den dritten
und
1951 sowie 1954 jeweils den zweiten Rang.
Internationale Anerkennung erhielt er 1950, jenes Jahr, das den
Durchbruch
bei den Strassenrennen bedeutete.
Er siegte zunächst die Strassen-Schweizermeisterschaft und gewann
darauf als erster Nicht-Italiener den Giro d'Italia.
Gekrönt wurde die Saison mit dem Gewinn der Tour de Suisse.
Diese Erfolge katapultierten Hugo Koblet in ungeahnte Sphären
und seine Fangemeinschaft wuchs rasant an. Aufgrund seiner scheinbar
mühelosen
Fahrten selbst in steilsten Passagen und seinem guten Aussehen - er
kämmte
sich oftmals kurz vor der Zielankunft die Haare, um auf den Siegerfotos
gut auszusehen - bezeichnete ihn der Sänger Jacques Grello als
"Pédaleur
de charme" - ein Spitzname, den er bis zu seinem Tod stolz trug.
1951 konnte er an das erfolgreiche Jahr 1950 anknüpfen und besiegte
Fausto Coppi an der inoffiziellen Weltmeisterschaft im Einzelzeitfahren
beim Grand Prix des Nations.
Endgültig zur Radlegende avancierte er mit dem Gesamtsieg der
Tour de France.
Doch der Erfolg hatte auch seine Schattenseiten und die
Erwartungshaltung
der Verantwortlichen entsprechend gross.
Nur so ist es zu erklären, dass der Tour de Suisse Chef Carl Senn
nach einem drohenden Ausfall von Hugo Koblet an der Tour infolge einer
Nierenbeckenentzündung anordnete, einen Arzt zu finden, der Koblet
"fit macht, à tout prix". Dieser Arzt verabreichte Hugo Koblet offenbar
ohne dessen Wissen Amphetamine, was wahrscheinlich zu einem permanent
geschädigten
Herzen und zu einem reduziertem Lungenvolumen führte.
In der Folge konnte Hugo Koblet zwar noch Achtungserfolge feiern, an
die Zeiten des unbekümmerten Angreifers konnte er jedoch nicht mehr
wirklich anknüpfen.
Trotz angeschlagener Gesundheit, die sich oft in der Höhe bemerkbar
machte, wenn er nicht mehr genug Sauerstoff aufnehmen konnte, gewann er
1953 und 1955 jeweils die Tour de Suisse und wurde am Giro d'Italia
1953
und 1954 jeweils zweiter.
Desweiteren gewann er 1952 und 1954 die Meisterschaft von Zürich
und 1953 die Tour de Romandie.
Sein letzter grosser Erfolg war der Gewinn des Schweizer
Strassenmeistertitels
1955, danach brach das Leistungsniveau von Hugo Koblet drastisch ein.
Er errang bis 1958 zwar noch einzelne Siege, diese jedoch nur in eher
unbedeutenden Rennen. Schliesslich trat er vom Radsport zurück.
Auch der Glamour gesellte sich zum Leben des eleganten Hugo Koblet,
als er sich mit der damals bekannten Schauspielerin Waltraut Haas
verlobte.
Die Wege trennten sich später wieder und er lebte bis zu seinem Tod
mit dem Model Sonja Buehl zusammen.
Nach seiner Laufbahn als Radsportler arbeitete er zunächst für
eine Alfa-Romeo-Vertretung in Caracas und nach seiner Rückkehr in
die Schweiz betrieb er zwei Tankstellen, doch dieses bürgerliche Leben
konnte das vorherige Leben im Rampenlicht nicht annähernd ersetzen.
Seinen Lebensstil konnte er nicht an die neuen Umstände anpassen,
gab für sich und für Freunde und Familie viel Geld aus und machte
grosse Schulden. Auch ehemalige bekannte Radprofis statteten Koblets
Tankstellen
öfters einen Besuch ab, "vergassen" später aber, das bezogene
Benzin zu bezahlen. Zahlreiche Affären führten zudem zur Trennung
von seiner Frau.
1964 wurde die Schweiz geschockt, als die Nachricht wie ein Lauffeuer
um sich griff, dass Hugo Koblet mit seinem Alfa Romeo in einen Birnbaum
geprallt ist. Der Schock war noch grösser, als die Zeitungen einige
Tage später verkünden musssten, dass Hugo Koblet im Alter von
39 Jahren im Spital verstarb.
Schnell kamen Gerüchte auf, dass es sich um Selbstmord gehandelt
hat. Doch auch ein Ausweichmanöver vor einem Tier auf der Strasse
wäre denkbar. Sein Mitarbeiter bei der Tankstelle sagte aus, dass
Hugo Koblet vor einigen Monaten schon einen Unfall mit diesem Fahrzeug
hatte und das Auto beschädigt wurde. Nach einer ersten Reparatur holte
er das Fahrzeug wieder ab mit dem Hinweis, dass er das in
mitleidenschaft
gezogene Trapez demnächst ersetzen müsse. Koblet ersetzte dieses
Teil später jedoch nicht, was zu einem Radbruch geführt haben
könnte. Seine Frau Sonja besuchte ihren Mann noch im Spital, wo sie
mit ihm reden konnte. Gemäss ihrer Aussage war es ein
Selbstmordversuch,
der zuguter Letzt gelungen ist.
Dass Hugo Koblet nach wie vor fest in der Schweizer Bevölkerung
verankert ist zeigte sich in seiner Lebensverfilmung, die unter dem
Titel
"Hugo Koblet - Pédaleur de charme" 2010 in die Kinos kam.
Keiner hatte den Schweizer Radsport mehr geprägt als Hugo Koblet
und sein Dauerrivale Ferdy Kübler (selber Tour-de-France Sieger 1950
und Strassenweltmeister 1951), die eine nie dagewesene Euphorie für
den Radsport in der Schweiz auslösten und seitdem viele weitere grosse
Fahrer hervorbrachte.