Die Anziehungskraft, die
Kinder in Filmen auf Erwachsene
ausüben, wurde schon früh erkannt. Zu den ersten Kinder-
beziehungsweise
Jugendstars gehörte Mary Pickford, die allein 1909 (im Alter von 17
Jahren) in 15 Kurzfilmen von D. W. Griffith auftrat. Ihre grösste
Popularität erreichte sie jedoch als Erwachsene in den 20er Jahren.
Der
erste wirkliche Kinderstar wurde Jackie Coogan als kleiner Tausendsassa
in Chaplin's "The Kid" (1920). Bereits bei ihm zeigte sich der grosse
Nachteil,
den der frühe Ruhm für die kleinen Schauspieler mit sich bringen
kann. Coogan wurde für kurze Zeit zum internationalen Idol und
verdiente
ein riesiges Vermögen. Als seine Karriere mit 13 Jahren bis auf ein
paar spätere Filme abrupt endete, musste er seine Mutter und seinen
Stiefvater verklagen, um wenigstens die Reste seines Vermögens zu
retten.
Der Prozess führte
schliesslich zum sogenannten
Coogan-Gesetz. In einer überarbeiteten Version des Coogan-Gesetzes
vom 01.01.2000 wurde u.a. folgendes festgehalten:
Das Einkommen des Kindes
bleibt Eigentum des Kindes.
15% vom Brutto-Einkommen, resultierend aus der beruflichen Tätigkeit
in Sport und Unterhaltung, werden einem Treuhandkonto zugunsten des
Minderjährigen
gutgeschrieben und bis zu seiner Volljährigkeit verwaltet. Der oder
die Personen, die für das Geld des Kindes verantwortlich sind, haben
dieses mit entsprechender Sorgfalt zu behandeln.
Ein
ähnliches Schicksal erlitt Freddie Bartholomew, der in den 30er Jahren
neben Shirley Temple der grosse Star mit Filmen wie "David Copperfield"
(34) und "Little Lord Fauntleroy" (37) war. Seine Karriere endete mit
der
Pupertät und sein Vermögen ging für Rechtsstreitereien zwischen
seinen Eltern und seiner Tante verloren, die sich um das Sorgerecht für
ihn stritten.
In den 20er Jahren
lancierte der spätere Laurel
& Hardy-Entdecker Hal Roach die Serie ""Our
Gang
- Die kleinen Strolche"". Da es sich um eine Gruppe von
Kindern handelte,
wurde (mit wenigen Ausnahmen) nicht der einzelne bekannt, sondern die
Gang
als solches wurde beim Publikum äusserst populär. Dadurch war
es auch möglich, zu alt gewordene Mitglieder durch neue zu ersetzen,
was zu einem langanhaltenden Erfolg der Gruppe verhalf, die bis Mitte
der
40er Jahre ihre Streiche spielten.
Spätestens bei
Shirley Temple zeigte sich dann
endgültig die Faszination, die Kinder in der Kinowelt auszuüben
vermögen. Von 1936 - 1938 war sie der führende Kassenmagnet,
noch vor Clark Gable, Joan Crawford und Bing Crosby. Doch auch ihr
blieb
das Schicksal der verlorenen Faszination nach Eintritt ins
Erwachsenenalter
nicht erspart.
Als sie das Alter von 11
erreichte, war die Nachfrage
nach Shirley-Temple-Filmen gestillt, es folgten nur noch wenige
Engagements.
Sie wandte sich in den 60er Jahren der Politik zu und wurde
Repräsentantin
der United Nations, von 1974 - 1976 war sie US-Botschafterin in Ghana,
danach fungierte sie als Protokollchefin des Weissen Hauses.
Als sie 1951 die in ihrer
Kindheit erspielten drei
Millionen Dollar ausbezahlt haben wollte, stellte sie fest, dass ihre
Eltern
gerade noch 44'000 Dollar übrig gelassen hatten. Sie liess die Sache
auf sich beruhen, um wenigstens den Familienfrieden zu wahren.
Obwohl es in den
folgenden Jahren immer wieder bekannte
Kinderstars gab, schien das Phänomen, dass der Name eines Kinderstars
die Kinos zu füllen vermochte, auf die 20er und 30er Jahre beschränkt
zu bleiben.
Erst Ende der 80er Jahre
lancierte Macaulay Culkins
Auftritt in "Home Alone" einen neuen Boom an Kinderstars, zu denen auch
Elijah Wood zählte. Wood wurde in Fachkreisen auch die grösste
Chance eingeräumt, den Sprung in die Welt der erwachsenen Schauspieler
zu schaffen, was er mit der Trilogie von "Der Herr der Ringe" zu
bestätigen
wusste.
Der
Status eines Kinderstars war natürlich nicht nur auf die USA
beschränkt,
auch in den anderen Ländern eroberten Jungdarsteller die Gunst des
Publikums. In Deutschland beispielsweise war Curt Bois bereits ab 1907
ein regelmässiger Gast auf der grossen Leinwand, in den 20er Jahren
setzte sich dann Gustl Stark-Gstettenbaur in Szene. Die Liste der
deutschen
Kinderstars ist ähnlich lang wie in den USA, so gehörte Hans
Richter in den 30er Jahren und Oliver Grimm und Michael Ande in den
50er
Jahren zu den populären Kinderstars.
Auf den ersten
Blick scheint das Leben eines Kinderstars
sehr beneidenswert. Doch um überhaupt zu solch einem Status zu
gelangen, braucht man vor allem viel Glück.
Um das Beispiel Hollywood
nochmals aufzugreifen, so
strömen dort zu Tausenden erwartungsvolle Eltern mit ihren Nachkommen
in die Filmmetropole, wo sie sich eine grosse Karriere für ihre Kinder
erhoffen. In Tat und Wahrheit verdienen aber gerade mal fünf von
100'000!
Kindern in Hollywood ihren Lebensunterhalt beim Film. Nur wenige davon
werden zu regelrechten Stars.
Ist der Weg zum
Kinderstar erst mal geebnet, scheint
das Gröbste überstanden zu sein, doch oftmals fangen dann erst
die wahren Probleme an. Neben der obenerwähnten finanziellen Ausbeutung
durch Angehörige durchleben die lebensunerfahreren Kinderdarsteller
bereits während ihrer aktiven Laufbahn oder aber in der Zeit danach
etliche Tiefen und Höhen mit Drogen, Depressionen und Isolation. Als
Kinderstar werden sie wie Könige behandelt und wachsen fern der
Realität
in einer künstlichen Welt auf. Die alltäglichen Dinge, die ein
Kinderleben so mit sich bringen, bleiben ihnen normalerweise
verwehrt.
Eric Scott (er spielte ab
seinem 13. Lebensjahr den
rothaarigen Ben in der Serie "Die Waltons") entgegnete auf die Frage,
ob
ihm seine verpasste Kindheit fehle: "Fragen Sie doch einen Einarmigen,
ob er das Gefühl hat, etwas zu vermissen".
Gerade der
angestrebte Luxus und das Geld, den der
Erfolg mit sich bringt, birgt Gefahren, sowohl für die Eltern, die
oftmals von den Nebenwirkungen von Ruhm und Vermögen überfordert
sind als auch für die Jugendlichen selbst. Nichts scheint mehr von
speziellem Reiz zu sein und man weicht aus auf Drogen, Alkohol oder
dergleichen.
River Phoenix ist da leider
ein trauriges Beispiel
mit tödlichem Ausgang, als er mit 23 Jahren an einer Überdosis
starb.
Der
Sprung vom Kinderstar zum erwachsenen Schauspieler stellt für die
Meisten eine geradezu unüberwindliche Mauer dar.
Die Schauspielerin Inger Nilsson
beispielsweise, die die legendäre Pippi Langstrumpf darstellte,
arbeitet
zwar auch heute noch als Schauspielerin, doch ist ihre Tätigkeit
meist begrenzt
auf kleinere Theaterengagements. Der Ruhm, den sie als Kind geniessen
konnte,
konnte sie nicht ins Erwachsenenleben mit hinübernehmen. Das gleiche
Schicksal erlitt auch Butch
Patrick,
der den Eddie Munster in der Kult-Serie "The
Munsters"
in den 60er Jahren darstellte.
Glücklicherweise
sind die hier erwähnten
negativen Begleiterscheinungen nicht zwangsläufig, sondern stellen
eher extreme Situationen dar. Daneben existiert natürlich auch die
Erfolgsstory von ehemaligen Kinderstars, die in der Welt der
Erwachsenen
ihren Platz gefunden haben. Paradebeispiel dafür ist sicherlich Jodie
Foster, die bereits als 3-jährige als Fotomodell für Sonnencreme
auftrat und als Kind etliche Filme drehte. Heute gehört sie zu den
einflussreichsten Leuten Hollywoods. Ebenfalls zu den Erfolgreichen
zählt
auch Kurt Russell.
Bei
Drew Barrymore zeigten sich sowohl die positiven wie auch negativen
Seiten
sehr deutlich. Schon früh zu Ruhm gekommen durch den Film E.T. (82)
erlebte sie im Teenager-Alter Tiefen mit Alkohol und Drogen.
Glücklicherweise
fand sie wieder aus diesem Tief heraus und zählt heute zu den
vielbeschäftigten
Darstellern.
1992 wurde der
Verein "A
Minor Consideration" für Kinderdarsteller von damals und
heute
gegründet. Die Gruppe umfasst zur Zeit über 400 Mitglieder, von
den Olsen-Zwillingen bis zu Sybil Jason (der ehemaligen Konkurrentin
von
Shirley Temple).
Die Organisation
unterstützt Kinderdarsteller,
die Probleme mit ihrem Leben bekommen und bietet damit einen wichtigen
Dienst für die pupertierenden Jugendlichen.
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