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INDEX SCHWEIZER FILMSCHAFFENDE | DER SCHWEIZER FILM |
Dällebach Kari
1970
|
Handlung
Der Film erzählt die Geschichte des Coiffeurmeister Kari Dällebach, wobei der Film mit der Beerdigung von Dällebach und dem nachfolgenden Leichenmahl beginnt und erst danach rückblendend das Schicksal der Titelfigur erzählt.
Der aufgrund einer Hasenscharte und einem Sprechfehler schon in jungen
Jahren gehänselte Dällebach Kari geriet früh in soziale
Isolation geraten. Im Laufe der Zeit gewöhnte er sich Abwehrreaktionen
an, die er sich mit Witzen und komischen Geschichten aufbaute. Somit konnte
er die Mitmenschen, die ihn früher belächelten, gezielt zum Lachen
bringen und lenkte von seiner äusseren Beeinträchtigung ab.
Walo Lüönd noch ohne angeklebten Schnauz und ohne montierter Klammer, die die Hasenscharte formte |
Lukas Ammann |
Hans Gaugler |
Die Figur des Dällebach wird dem Zuschauer immer vertrauter und man sieht, wie er einer unerfüllten Liebe der jungen Annemarie nachtrauert und sich schliesslich dem Alkohol zuwendet. In einer Nacht, völlig betrunken, beginnt er unter dem Fenster seiner Auserwählten ihren Namen auszurufen, was schliesslich zur Verhaftung wegen Ruhestörung führte. Annemarie indes erbarmte sich seiner und schrieb ihm, dass sie ihn wiedersehen wolle. Doch zwei abgemachte Termine scheitern; beim ersten Mal bricht Dällebach Kari vor dem Treffen betrunken zusammen, beim zweiten Mal wird er Opfer eines Streiches und konnte nicht mehr rechtzeitig zum vereinbarten Zeitpunkt eintreffen.
Das Schicksal schien für ihn eine andere Bestimmung bereit zu
halten.
Fritz Nydegger und Walo Lüönd |
Fritz Nydegger und Lukas Ammann |
Fritz Nydegger |
Im Film taucht auch immer wieder die Figer des Landstreichers auf (eindrücklich dargestellt von Hans Gaugler), der offensichtlich geistig verwirrt ist. Dieser kann im Film auch als die Verkörperung von Dällenbachs innerem Gemütszustand betrachtet werden.
Als bei Dällenbach Kari eine Krebserkrankung diagnostiziert
wird und die weiterhin stattfindenden Hänselei und Verspottungen ihn
zusätzlich zermürben, bricht sein Überlebenswillen zusammen.
Er hört Stimmen und Lieder aus der Vergangenheit und schliesslich
begibt er sich still und heimlich auf eine Brücke in tiefster Nacht,
zieht seine Schuhe aus und hängt diese sorgsam über das Geländer
und springt in den Fluss.
Lukas Ammann |
Lukas Ammann und Ludwig Neugass |
nicht identifiziert |
Dabei wird von Regisseur Kurt Früh und Kameramann Fritz E. Maeder der Blick nicht einfach auf das Geschehene gerichtet sondern das Bild bleibt auf den Schuhen, während Dällebach Kari aus dem Bild läuft. Kurz danach schwenkt die Kamera in seine Richtung, doch man sieht nur noch eine leere Brücke.
Der Film betonte sehr stark die humoristischen Seiten des Dällebach
Kari, aber auch die Tragikomödie, die darin steckte. Nicht zuletzt
deshalb und auch wegen seinen melancholischen Untertönen gilt der
Film als einer der poetischsten Werken Kurt Frühs.
Ellen Widmann |
Ellen Widmann |
Franziska Kohlund |
Ein weiteres markantes Merkmal ist die immer wiederkehrende Melodie des Liedes "Wenn die Blümlein draussen zittern" und natürlich auch das Titellied aus der Feder des legendären Liedermachers Mani Matter. Es war dies seine erste und einzige Auftragsarbeit, die er annahm.
Mit freundlicher Genehmigung von Sybil Matter Copyright by Fam. Matter |
Gedreht wurde der Film in der Berner Altstadt und basiert auf der
Biographie von Hansruedi Lerch, welches 1968 erschien.
Die Geschichte wurde 2010 als Musical aufgeführt und 2012 neu
verfilmt.
Margrit Winter |
Erwin Kohlund |
Erwin Kohlund |
Aufgrund des grossen Erfolgs des Films mutierte der Charakter des Dällenbach Kari fast zu einer Kunstfigur, dabei gab es diesen Dällebach Kari auch in Wirklichkeit. Dieser wurde 1877 als Karl Tellenbach in Walkringen geboren und avancierte nach 1910 zu einem Stadtoriginal.
Nach einer Coiffeurlehre arbeitete er zunächst als Geselle,
ehe er 1901 Coiffeurmeister wurde. Sein Selbstmord 1931 erfolgte nach zwei
erfolglosen Krebs-Operationen.
Die sowohl im Film als auch in der Biographie beschriebenen Trinkgelage
wurden von seiner Nichte dementiert.
Hans Gaugler und Walo Lüönd |
Hans Gaugler |
Hans Gaugler |
In seiner letztwilligen Verfügung hielt Karl Tellenbach folgendes
fest:
"Alle, die mich auf dem letzten Gang begleiten, sollen nur während
der Predigt und der Versenkung der Urne besinnlich sein. Danach ist Gemütlichkeit
und Humor an der Reihe. Ich habe bei Frau Jenni in der »Grünegg«
ein Säli reserviert und im voraus ein Zvieri mit Hamme und natürlich
einen rechten Tropfen Roten bezahlt. Da denkt alle an mich zurück,
indem ihr bei Frohsinn und Geselligkeit meine Geschichten auffrischt. Zum
Abschluss des Mahls, das wünsche ich mir ausdrücklich, singt
für mich noch einmal ‹Wie die Blümlein draussen zittern›. Ich
werde mein liebstes Lied hören."
Walo Lüönd und evtl. Renato Cibolini |
nicht identifiziert (evtl. Renato Cibolini) |
nicht identifiziert (evtl. Herr Fivian, Statist) |
nicht identifiziert (evtl. Alice Concha, Statistin) |
nicht identifiziert (evtl. Herr Lehmann, Statist) |
nicht identifiziert (evtl. Romi Schaffer, Statistin) |
Der Film kann auf DVD direkt bei der Praesens
Film AG bestellt werden.
Darsteller:
Walo
Lüönd als Dällebach Kari
sowie Margret Neuhaus, Heidy Forster, Tino Bertrand, Silvia Jost, William Jacques, Paul Felix Binz, Alexandre Bussard, Hannes Dähler, Frank Krünes, Madeleine Pfeiffer, Werner Rötlisberger, Eduard Schneider, Hans Zinder, Karl Gygax, Otto Lehmann, Amido Hoffmann, Alphons Hoffmann, Herr Fivian, Werner Pfister u.a. |
Mitarbeiterliste:
Regie:
|
.
Kurt
Früh
|
Der Film "Dällebach Kari" war einer der erfolgreichsten Schweizer
Filme. Interessant sind auch die Umsatzzahlen in den einzelnen Kinos der
Schweizer Städte. Nachfolgende Auflistung zeigt die Kinoeinnahmen
bis und mit 30.04.1971. Der Film lief am längsten in Bern mit 13 Wochen
Spielzeit. Offiziell eingespielt hat der Film bis Juli 1971 rund 1.25 Millionen
Franken, wobei davon 550'000 Franken als Verleiheinnahmen gelten (entsprechend
Aufstellung unten), der Rest wurde für die Kinos bezahlt für
deren Miete, Gehälter etc.)
Verleiheinnahmen bis 30.04.1971 |
Zürich (Capitol), 7 Wochen | CHF 96'509.40 |
Basel (Mascotte), 6 Wochen | CHF 17'446.80 |
Bern (Rex), 13 Wochen | CHF 144'358.25 |
Luzern (Rex), 5 Wochen | CHF 29'173.55 |
Biel (Palace). 4 Wochen | CHF 23'153.05 |
St. Gallen (Scala), 3 Wochen | CHF 10'376.30 |
Winterthur (Lichtspiele AG), 3 Wochen | CHF 13'149.20 |
Aarau (Lichtspiele), 4 Wochen | CHF 14'275.85 |
Solothurn (Palace, 4 Wochen | CHF 12'269.35 |
Thun (Rex), 5 Wochen | CHF 16'460.30 |
Unzählige weitere Kinos in kleineren Ortschaften | CHF 106'642.50 |
Total | CHF 512'988.10 |
Von diesen CHF 512'988.10 gingen 30 % an die Verleiher (153'896.45)
und 70 % an die Produktion (359'091.65). Den Einnahmen von 359'091.65 standen
die Produktionskosten von CHF 500'000.- gegenüber, womit der Film
trotz des grossen Publikumerfolges die Kosten nicht einspielen konnte.
Ende 1972 bestand noch ein Defizit von rund 160'000.- Franken. Diese Schwierigkeit,
einen rentierenden Dialektfilm zu produzieren, hat sich leider bis heute
erhalten bzw. hat sich noch zusätzlich verstärkt. Nicht selten
erreichen heutige Schweizer Produktionen trotz positiven Kritiken kaum
mehr als 30'000 Zuschauer. So auch die Neuverfilmung "Eine wen iig, dr
Dällebach Kari" von 2012. Trotz positiver Kritiken und hervorragenden
Darstellern (Nils Althaus, Hanspeter Müller-Droosart), welcher keine
30'000 Zuschauer animierte gegenüber Herstellungskosten von CHF 4'200'000.--.
Die Macher im Hintergrund: |
Kurt Früh - Regisseur und Drehbuchautor |
Fritz E. Maeder - Kamera |
Max Röthlisberger - Filmausstatter |
Hintergrundgeschichte zur Produktion von "Dällebach Kari"
Ursprüngliche wurde der Film "Dällebach Kari" nicht von der
Stella Film GmbH / Atlantic Film AG initiiert, sondern von der "Walker
Film AG". Diese Firma wurde aus Anlass dieser bevorstehenden Produktion
am 01.01.1970 von H. Peter Walker gegründet. Mit einem Aktienkapital
von 50'000.-, verteilt auf 50 Aktien, war das Unternehmen in der Hand von
wenigen Personen. Nebst H. Peter Walker mit 26 Anteilen hatten auch seine
Frau Susanna Walker (9 Anteile), Regisseur Yves Yersin (2 Anteile), Regisseur
Kurt Früh (3 Anteile), Kameramann Fritz E. Maeder (1 Anteil), Atlantic-Film
AG (Gebrüder Hellstern) (3 Anteile), Christian Megert (1 Anteil) und
der Plastiker Herbert Distel (2 Anteile) Beteiligungen an der Firma.
Die Gründungsversammlung fand am 8. April 1970 in Bern statt,
mit H. Peter Walker als Präsident des Verwaltungsrates und Kurt Früh
sowie Yves Yersin als Verwaltungsräte.
Doch schon bald überschlugen sich die Ereignisse. Die Dreharbeiten
begannen termingerecht im August, doch mussten die Dreharbeiten in der
zweiten Woche unterbrochen werden, weil der Regisseur Kurt Früh verunfallte.
Wenige Tage später konnte er die Dreharbeiten mit einem Gipsbein fortsetzen.
Doch bereits in der frühen Phase des Films schienen sich erste finanzielle
Schwierigkeiten aufzutun und der Gründer der Produktionsfirma, H.
Peter Walker verlor die Nerven und verschwand am 01.09.1970 für längere
Zeit.(gem. Orientierungsschreiben der Rialto Film AG vom 21. September
1970.
Es wurde eine ausserterminliche Sitzung am 03.09.1970 einberufen, wo
die verbliebenen Mitglieder der Walker Film AG teilnahmen. Dabei wurde
auch bekanntgegeben, dass H. Peter Walker nicht nur verschwunden ist sondern
vorab auch einen Check von CHF 24'000.- abgehoben hatte, zudem wurden Bezüge
über ein "Spezialkonto" entdeckt, die nicht die Firma betrafen.
Desweiteren kam heraus, dass die Finanzierung des Films zu diesem Zeitpunk
noch nicht gesichert war und rund 140'000 Franken notwendig waren, um die
Dreharbeiten mit einer neuen Produktionsgesellschaft fortführen zu
können. Der Film war zu diesem Zeitpunkt zu 25% abgedreht. Da für
die bisher getätigten Dreharbeiten bereits rund 100'000.- Franken
investiert wurde, war die Suche nach einem neuen Geldgeber die einzig akzeptable
Lösung. Die Sitzung selbst dauerte 35 Minuten und endete um 21.35
Uhr.
In einem Nachfolge-Schreiben vom 04.09.1970 wurden vom Advokaturbureau, Herr Herbert Thönen, weiter festgehalten, dass die Dreharbeiten nur unter den Bedingungen fortgesetzt werden können, wenn die Filmschaffenden für ihre bisherige Arbeit bezahlt werden und die vereinbarten Entschädigungen auch in Zukunft in gleicher Höhe vergütet werden. Weiter wurde beschlossen, dass vorläufig keine Strafanzeige gegen H. Peter Walker erstattet werde, da dies negative Publizität dem Film gegenüber verursachen könnte.
Am gleichen Tag erschien von den Verwaltungsräten Kurt Früh und Yves Yersin die Information, dass H. Peter Walker von sämtlichen Funktionen enthoben und seine Unterschrift als rechtsungültig erklärt wird.
Schliesslich
wurde ein neuer Geldgeber gefunden und am 09.September 1970 wurde ein Vertrag
zwischen der Walker Film AG und der Stella Film GmbH München abgeschlossen.
Darin wurde u.a. festgehalten, dass die Walker Film AG bestätigt,
dass sie sämtliche Drehbuch und Verfilmungsrechte rechtsgültig
erworben und bezahlt hat und diese Rechte vollumfänglich an Stella
Film GmbH überträgt. Gleichzeitig verpflichtete sich die Stella
Film GmbH, dass sie die Verpflichtungen der Walker Film AG gem. Verleihvertrag
mit der Rialto Film AG übernimmt und 50% des Gewinns aus dem Film
an die Walker Film AG bzw. an deren Gläubiger geht. Ausgeschlossen
wurde die Übernahme der Verpflichtungen der Walker Film AG, welche
im Zusammenhang mit dem Film vor dem 08. September eingegangen worden sind.
Die Stadt Bern hat sich zudem bereit erklärt, eine Ausfallgarantie
von 60'000.- Franken zu gewähren.
Am 10.09.1970 wurde die Atlantic Film AG Zürich hinzugezogen, welche die Weiterführung und Fertigstellung des Films "Dällebach Kari" übernommen hatte. Der Drehplan sah vor, dass die Dreharbeiten bis anfangs Oktober beendet sein sollten und der Film Mitte Dezember in die Kinos kommt.
Am 21.09.1970 wurde von der Verleihfirma Rialto Film AG eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse herausgegeben, wo nebst dem bereits erwähnten Verschwinden von H. Peter Walker auch kommuniziert wurde, dass die Dreharbeiten nun zu 2/3 abgeschlossen sind. Die letzten grossen Szenen, die noch bevorstanden waren das Begräbnis von Dällenbach Kari und das anschliessende Leichenmahl.
Schliesslich tauchte H. Peter Walker wieder auf, doch dürfte auf ihn einigen Ärger aufgrund der vorangegangenen Ereignisse gewartet haben. Am 28.01.1971 schrieb er noch eine Rechnung an die Rialto Film AG über 8'000.- Franken für geleistete Arbeit.
Später meldeten sich auch andere Gläubiger bei der Atlantic Film AG, um ausstehende Forderungen gegenüber der Walker Film AG geltend zu machen. Da jedoch Verpflichtungen der Walker Film AG vor dem 08.09.1970 nicht durch die Atlantic Film AG getragen wurden, blieben einige Gläubiger auf ihren Rechnungen sitzen.
Aus einem dieser Briefe an einen der Gläubiger (vom 22.02.1971)
geht hervor, dass die finanziellen Ungereimtheiten (u.a. auch Schulden
von 80'000.- Franken bei der Schweizerischen Kreditanstalt) durch H. Peter
Walker diesen immer mehr in die Enge drängten und er schliesslich
keinen Ausweg mehr wusste und Mitte Februar 1971 durch Freitod aus dem
Leben schied.
Nachfolgend eine Auswahl von Fotos, die
hinter die Kulissen der Dreharbeiten blicken lassen.
Copyright: Praesens Film Zürich |
Blick auf die Berner Altstadt |
Vorbereitungen für die nächste Drehszene |
Schnappschuss des Fotografen in einem Spiegel. Zu erkennen sind Franz Matter in der Mitte, hinter der Kamera wahrscheinlich Fritz E. Maeder und ganz rechts Katja Früh, die Tochter von Kurt Früh. |
Franz Matter und in der Mitte im Hintergrund Kurt Früh |
Franz Matter |
Kurt Früh |
Ein herzlicher Dank geht an Herrn Gassmann für die Zuverfügungstellung
des Archivs.
Copyright: Praesens Film AG